Agency
Die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe, die eigene Realität bewusst zu gestalten, anstatt nur auf äußere Umstände zu reagieren. Agency ist die kultivierte Meisterschaft über das eigene Denken, Entscheiden und Handeln, um eine strategische Absicht wirksam werden zu lassen.
Siehe auch: Selbst-Autorenschaft, Postkonventionell
Alignment
Ein Zustand kohärenter Handlung in einem System, der auf einer gemeinsamen Sichtweise und tiefem Vertrauen basiert. Alignment ist das Ergebnis von geteilter Absicht, nicht von Befehl und Kontrolle. Es ist die Voraussetzung für eine kraftvolle, reibungsarme Bewegung in eine gemeinsame Richtung.
Siehe auch: EBFAS, Murmuration
Bricolage
Eine Vorgehensweise, die kreativ und erfinderisch mit den vorhandenen Ressourcen arbeitet, um neue Lösungen für komplexe Probleme zu schaffen. Bricoleur:innen sind das Gegenteil von Ingenieur:innen, die einem starren Plan folgen. Sie kombinieren, adaptieren und improvisieren, um im Hier und Jetzt wirksam zu sein.
EBFAS
Ein von John Boyd geprägtes Akronym, das das ideale Organisationsklima für Agilität und Resilienz beschreibt. Es schafft die Voraussetzung für Alignment und Initiative. Die Komponenten sind:
- Einheit: Eine gemeinsame Perspektive und ein verbindendes Thema, das die Gruppe teilt.
- Behendigkeit: Die Fähigkeit, etablierte und erfolgreiche Muster bewusst zu durchbrechen, um sich an neue Herausforderungen anzupassen.
- Fingerspitzengefühl: Ein intuitives Gespür für komplexe Situationen, das schnelle, kontextsensitive Entscheidungen ermöglicht.
- Auftragstaktik: Eine Führung durch Absicht, bei der das "Was" und "Warum" vorgegeben wird, aber das "Wie" der Eigeninitiative der Ausführenden überlassen bleibt.
- Schwerpunkt: Der klare Fokus der Hauptanstrengungen, der Ressourcen bündelt und auf allen Ebenen als Entscheidungshilfe dient.
Emergenz
Das Entstehen von neuen, kohärenten Strukturen und Mustern auf der Makroebene eines Systems, die nicht in den Eigenschaften seiner einzelnen Teile vorhanden sind. Das Verhalten einer Murmuration ist emergent; es kann nicht durch die Analyse eines einzelnen Vogels erklärt werden.
Siehe auch: Strukturelle Kopplung, Ökosystem
Endliche & Unendliche Spiele (Finite & Infinite Games)
Ein von James P. Carse geprägtes Konzept, das zwei fundamentale Arten des Spiels unterscheidet.
- Ein endliches Spiel wird gespielt, um zu gewinnen. Es hat bekannte Spieler, feste Regeln und einen klaren Endpunkt, an dem ein Sieger feststeht (z. B. eine Partie Schach, ein Quartalsbericht).
- Ein unendliches Spiel wird gespielt, um das Spiel selbst am Laufen zu halten. Die Spieler können wechseln, die Regeln sind veränderbar und es gibt kein definiertes Ende. Das Ziel ist die Perpetuierung des Spiels (z. B. eine Kultur, ein Unternehmen, die eigene Karriere).
Die Anwendung einer endlichen Denkweise auf ein unendliches Spiel ist eine der Hauptursachen für strategisches Scheitern. Der Wechsel zu einer unendlichen Perspektive ist die Voraussetzung für langfristige Relevanz und Resilienz.
Ich beziehe mich ebenfalls auf das metamoderne Konzept von Hanzi Freinacht.
Siehe auch: Ökosystem, Manöver
Hebelpunkt (Leverage Point)
Ein Punkt innerhalb eines komplexen Systems, an dem eine kleine, gezielte Intervention eine überproportional große, weitreichende Wirkung entfaltet. Die Kunst besteht darin, diese Punkte zu identifizieren, anstatt Energie auf wirkungsarme Maßnahmen zu verschwenden.
Siehe auch: Signal-Rausch-Verhältnis, Lagebild
HUMINT (Human Intelligence)
Die Gewinnung von Erkenntnissen aus menschlichen Quellen und Interaktionen. Im Gegensatz zur reinen Datenanalyse (SIGINT) fokussiert HUMINT auf das Verstehen von Intentionen, Motivationen und dem nonverbalen Kontext – oft die entscheidenden Variablen im „menschlichen Terrain".
Siehe auch: Lagebild, OODA-Loop
Ich-Entwicklung
Ein Modell, das die zunehmende Komplexität beschreibt, mit der ein Mensch die Welt und sich selbst wahrnimmt und Sinn konstruiert. Weitere Entwicklungsstufen sind durch eine größere Fähigkeit zur Perspektivübernahme, zum Umgang mit Ambiguität und zu postkonventionellem Denken gekennzeichnet.
Siehe auch: Selbst-Autorenschaft, Agency
Komplexe Ansteckung (Complex Contagion)
Der Mechanismus, über den komplexe Ideen und Verhaltensänderungen in einem sozialen Netzwerk verbreitet werden. Im Gegensatz zu einfachen Informationen (wie einem Gerücht) erfordert eine komplexe Ansteckung mehrfachen Kontakt mit der neuen Verhaltensweise durch vertrauenswürdige Quellen. Wandel wird nicht verkündet, er wird vorgelebt und sozial bestätigt.
Siehe auch: Menschliches Terrain, Ökosystem
Lagebild
Das dynamische, synthetisierte Verständnis der aktuellen Situation, das aus der Fusion aller relevanten Informationen entsteht. Ein präzises Lagebild ist die Grundlage für die Orientierung und somit für jede qualitativ hochwertige Entscheidung.
Siehe auch: OODA-Loop, Signal-Rausch-Verhältnis
Manöver
Die kunstvolle, oft indirekte Anwendung von Ressourcen, um einen Vorteil zu erzielen. Das Manöverdenken konzentriert sich auf die psychologische und positionelle Schwächung von Widerständen, anstatt sie durch rohe Kraft (Attrition) zu brechen.
Siehe auch: Bricolage, Hebelpunkt
Menschliches Terrain (Human Terrain)
Die unsichtbare Landschaft einer Organisation, bestehend aus informellen Netzwerken, tatsächlichen Einflusszonen, verborgenen Motivationen und kulturellen Narrativen. Die Fähigkeit, dieses Terrain zu lesen, ist entscheidend, um zu verstehen, wie eine Organisation wirklich funktioniert und wo die wahren Hebelpunkte für Veränderung liegen.
Siehe auch: HUMINT, Komplexe Ansteckung
Murmuration
Das Phänomen eines Vogelschwarms, der sich wie ein einziger Organismus bewegt, ohne einen zentralen Anführer. Es dient als Metapher für ein perfekt ausgerichtetes System, das durch einfache, geteilte Regeln und lokale Interaktionen komplexe, adaptive und kohärente Manöver ausführt.
Siehe auch: Alignment, Emergenz
OODA-Loop
Ein von John Boyd entwickelter kognitiv-strategischer Zyklus, um in einem kompetitiven oder unsicheren Umfeld schneller zu lernen und effektiver zu handeln als die Gegenseite. Der Loop besteht aus vier Phasen: Beobachten, Orientieren, Entscheiden und Handeln. Die Orientierungsphase, in der Informationen zu einem kohärenten Lagebild synthetisiert werden, ist die kritischste.
Zum Informationsstrategiekonzept.
Ökosystem
Ein dynamisches Netz von interdependenten Akteur:innen mit fließenden Grenzen (im Gegensatz zur statischen „Arena" mit festen Regeln und klaren Gegnern). In einem Ökosystem geht es nicht um Dominanz, sondern um die Etablierung eines vorteilhaften „Fits" – einer strategisch passenden Position in Relation zu den anderen Akteur:innen.
Siehe auch: Endliche & Unendliche Spiele, Strukturelle Kopplung
Postkonventionell
Eine Stufe der Ich-Entwicklung, auf der das eigene Handeln nicht mehr primär von äußeren Regeln (konventionell) oder unmittelbarem Eigennutz (präkonventionell) bestimmt wird, sondern von selbst gewählten, universellen Prinzipien und einem inneren ethischen Kompass.
Siehe auch: Selbst-Autorenschaft, Agency
Selbst-Autorenschaft (Self-Authoring)
Die Fähigkeit, die eigene Identität, die eigenen Werte und Überzeugungen aktiv selbst zu konstruieren und danach zu handeln, anstatt von den Erwartungen des Umfelds oder der Gesellschaft geformt zu werden. Sie ist die psychologische Grundlage für echte Agency.
Siehe auch: Ich-Entwicklung, Postkonventionell
Signal-Rausch-Verhältnis
Die fundamentale Herausforderung in der Analyse, die relevanten, bedeutungsvollen Informationen (Signal) aus einer überwältigenden Menge an irrelevanten, zufälligen oder irreführenden Daten (Rauschen) zu extrahieren.
Siehe auch: Lagebild, Hebelpunkt
Strukturelle Kopplung
Ein systemtheoretisches Konzept, das beschreibt, wie autonome Systeme (z. B. Organisationen, Individuen) in einer gemeinsamen Umgebung durch wiederholte Interaktionen ihre Strukturen gegenseitig beeinflussen und sich ko-evolutionär aneinander anpassen, ohne dabei ihre jeweilige Eigenständigkeit zu verlieren.